
26. Februar 2025
Von Zynismus zu Verantwortung - Wie ein ausgebranntes Team neue Kraft fand
Die Geschichte einer ungewöhnlichen Retrospektive, die ein zynisches Team zurück in die Selbstverantwortung führte.
Als frisch mandatierter Agile Coach stand ich vor einer besonderen Herausforderung: Ein mir völlig unbekanntes Team, das von Zynismus und Ausgebranntsein geprägt war. Die Stimmung war impulsiv, hoffnungslos, die Energie am Boden.
Meine erste Retrospektive mit dem Team sollte eigentlich nach Standard-Format ablaufen. Doch manchmal muss man Konventionen über Bord werfen, um wirklich weiterzukommen. Statt strukturierter Methodik stellte ich einen Mülleimer in die Mitte des Raums - symbolisch und direkt zugleich.
Was folgte, war kathartisch:
- Das Team konnte sich endlich "auskotzen"
- Jede Frustration, jeder aufgestaute Ärger durfte raus
- Keine Beschönigung, keine vorschnellen Lösungen
- Nur aktives Zuhören, Bestätigen, Annehmen
Nach dieser emotionalen Entladung war der Moment für einen Perspektivwechsel gekommen. In einer direkten, ehrlichen Ansprache - Auge in Auge - beleuchtete ich ihre Situation aus verschiedenen Blickwinkeln. Keine Schuldzuweisungen, sondern eine Einladung, die eigene Rolle neu zu denken.
Die Veränderung war unmittelbar spürbar:
- Körperhaltungen richteten sich auf
- Rücken wurden gerade
- Blicke fokussierter
- Eine neue Energie wurde spürbar
Aus dieser neuen Energie heraus begannen wir, die Themen konstruktiv anzugehen. Der entscheidende Durchbruch kam mit der Erkenntnis: Nicht alles lag in ihrer Macht, aber vieles in ihrem direkten Einflussbereich. Diese Unterscheidung war der Schlüssel zur Handlungsfähigkeit.
Das Team entwickelte sich zu meinem Besten - nicht weil sie keine Probleme mehr hatten, sondern weil sie lernten, mit ihnen umzugehen. Sie übernahmen Verantwortung für das, was sie beeinflussen konnten, und verschwendeten keine Energie mehr an Dinge außerhalb ihrer Kontrolle.
Die wichtigste Erkenntnis: Manchmal braucht es erst einen emotionalen Reset, bevor echte Veränderung möglich wird. Und oft liegt der Weg aus der Hoffnungslosigkeit nicht in schnellen Lösungen, sondern in der ehrlichen Konfrontation mit der eigenen Situation - und der eigenen Handlungsmacht.