Zukunftsfähigkeit ist kein Zustand. Sondern ein Verhalten.
Michael Schiller
15. Juni 2025 ·
4 Minuten Lesezeit
Zukunftsfähigkeit
Wenn wir über Zukunft reden, dann ist das häufig wie mit dem Sternenhimmel: Groß. Weit. Unvorstellbar.
Wir wünschen sie uns oft besser. Aber wenn wir ehrlich sind, verwechseln wir Zukunft oft mit Hoffnung – statt sie mit Haltung und Verhalten im Hier und Jetzt anzugehen.
Und darum geht es jetzt.
Ich musste wirklich priorisieren und habe heute drei Perspektiven mitgebracht. Drei Gedanken, die mir geholfen haben, Zukunftsfähigkeit neu zu denken.
Erste Perspektive: Von hinten nach vorn denken.
Zukunft beginnt mit der Vision.
Ich weiß, manche zucken da schon zusammen. Helmut Schmidt sagte 1980 in einem Spiegel Interview:
„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“[1]
Das war damals ironisch gemeint. Und ich kann das verstehen.
Heute jedoch ist es eine absolute Selbstblockade.
Denn was steckt dahinter? Die industriell geprägte Idee, dass Erfolg nur aus Planbarkeit und Vorhersagbarkeit entsteht. Planbarkeit und Sicherheit haben uns auch viele Jahrzehnte lang reich gemacht.
Aber ... Die Welt hat sich verändert, wir brauchen mehr Veränderung.
Wie Sheldon in der der letzten Staffel "The Big Bang Theory" verstanden hatte:
"Alles muss sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist."
Und echte Veränderung beginnt nicht mit Sicherheit.
Sie beginnt mit Bedeutung.
Meine Tochter hatte mir auf einem Spaziergang von einer Idee erzählt: Motorradtour durch Schottland. Mit mir gemeinsam. Irgendwann. Wir haben daraus eine Vision entwickelt. Offene Straßen, Berge, Kultur. Kein Handyempfang. Wind, Weite, eine tiefe Verbindung.
Ich weiß nicht, wann. Ich weiß nicht, wie. Aber ich weiß: Das ist es wert, das es mir jetzt Kraft gibt. Nicht weil ich’s plane. Sondern weil ich’s spüre.
Und dieses Spüren haben wir in Unternehmen vor langer Zeit verlernt.
Eine gesellschaftlich tragende Vision seit dem Kriegsende, die viele spüren konnten, war: Dir, mein Kind, soll es besser gehen als mir. Diese Vision, dieser Antreiber hat sich selbst überholt.
Es wird endlich Zeit, neue Visionen zu finden.
Nicht als Fahrplan. sondern als Anziehungskraft.
Sie verändert, wie ich heute entscheide. Wie ich denke. Priorisiere. Investiere.
Ich werde unser Unternehmen groß machen, damit ich mir diese Vision leisten kann
Ich möchte meine Tochter auf ihren Weg begleiten, sodass sie sich ihren Raum dafür erarbeiten kann
Ich tue mehr, um gesund zu bleiben
Das ist alles in meiner Macht. Der Rest wird sich zeigen.
Frage dich: Was würde die Zukunftsversion von dir aus dem Jahr 2030 heute entscheiden?
Zweite Perspektive: Trägheit ist die eigentliche Krise.
Die Welt verändert sich in Lichtgeschwindigkeit. Und viele Unternehmen? Reagieren mit mehr Meetings, mehr Regeln, mehr Strukturen. Hat ja früher funktioniert.
Das Problem ist nicht das Tempo des Wandels. Das Problem ist die innere Bewegungslosigkeit.
Trägheit ist der unsichtbare Gegner. Sie kommt leise. Als „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Als Gremien. Excel-Tabellen. Pläne, starre Roadmaps für dynamische oder komplexe Probleme.
Und diese Trägheit ist teuer: Sie macht die Schritte kleiner, die wir gehen können. Sie macht Teams müder, Ideen schwerer.
Frage dich also: Was macht euch langsam? Wo verbrennt ihr Energie, ohne euch zu bewegen?
Denn, wer sich nicht bewegt, ist schon tot. Daher...
Dritte Perspektive: Geh. Einfach. Los.
Warten auf Klarheit ist eine Falle. Niemand rettet euch.
Zukunftsfähigkeit zeigt sich daran wie gut ein Unternehmen Widersprüche aushält, sich selbst hinterfragt und trotzdem handlungsfähig bleibt, also losgeht.
Zukunftsfähigkeit zeigt sich nicht wirklich im Strategiepapier, sondern ganz stark im Alltag: In Meetings, in Entscheidungen, in der Art, wie wir miteinander umgehen – gerade dann, wenn es schwerfällt.
Beginne mit dem, was du heute beeinflussen kannst.
Betreibe Risikomanagement: Preise Fehler bewusst ein, sie sind eine Chance zum Lernen.
Lerne mit Ambivalenzen und Komplexität umzugehen.
Entscheide, auch unter Unsicherheit.
Die gefährlichsten Entscheidungen sind die, die andere für dich treffen.
Die Formel
Zusammenfassend habe ich euch diese kleine Formel mitgebracht.
K: Klarheit – über Ziel, Richtung, Wirkung des Schrittes.
R: Risiko – wie viel Invest kann ich als Lernerfahrung einpreisen?
T: Trägheit – die strukturellen, organisatorischen und auch sozialen Altlasten, die dich bremsen.
Umso größer die Trägheit, desto kleiner die Schrittweite.
Veränderung passiert, wenn du deinen Mut stärkst, Klarheit schärfst, Risiken besser einordnest und Trägheit radikal abbaust.
Diese Formel ist ein Denkanstoß, mehr nicht. Zusammengefasst...
Zukunftsfähigkeit ist kein Planungsstand.
Zukunftsfähigkeit ist Großes, heruntergebrochen auf ein Verhalten. Sie ist wie eine Versicherung, in die ich täglich einzahle. Investiere.
Entscheide, wo andere zögern. Lerne, wo andere klagen. Los gehe, wo andere warten.
Und dabei nie vergessen, warum du das tust. Für dein ganz eigenes „Schottland“.
Danke.
Zukunftsfähigkeit ist kein Zustand. Sondern ein Verhalten.
[1] https://www.ndr.de/geschichte/koepfe/Helmut-Schmidt-Wer-Visionen-hat-sollte-zum-Arzt-gehen,schmidtzitate102.html, "Spiegel" über Willy Brandts Visionen im Bundestagswahlkampf, 1980