Ein Mädchen mit Brille betrachtet konzentriert mehrere Bildschirme mit Codezeilen. Die Komposition ist seitlich ausgerichtet, das Mädchen im Vordergrund, die Monitore im Hintergrund. Die bläuliche Beleuchtung erzeugt eine technisch-kühle Atmosphäre. Auffällig ist der Kontrast zwischen dem jungen Alter des Mädchens und der komplexen Technologie.  Das Bild suggeriert  frühe Auseinandersetzung mit Programmierung und die zunehmende Digitalisierung der Kindheit.

Software-AG am Gymnasium: KI, App Entwicklung und viele Erkenntnisse

Michael Schiller
26. November 2024 · 6 Minuten Lesezeit
KI Agilität
Es gibt Momente, da fühlt man sich wie ein Schwimmtrainer, der seinen Schützlingen das Tauchen beibringen möchte. Keine Zeit für trockene Theorie, man muss ins Wasser. Genau so hat sich der Start der Software-AG am nahen Gymnasium angefühlt.
Und einer dieser Schwimmer war ich selbst. :-)
Vor zwei Jahren hatte ich die Idee, mit Schüler:innen echte Softwareentwicklung zu machen. Nicht „Wie schreibe ich eine Schleife?“, sondern „Wie bauen wir etwas, das unsere Schule wirklich nutzen kann?“ Dieses Schuljahr war es endlich so weit. Mit Ruby on Rails, einer gehörigen Portion Aufregung und – ehrlicherweise – einer Prise Unsicherheit ging es los.

Die Einladung

Unser Ziel: Den analogen Schulplaner in Rente schicken

Nach der ersten Stunde war klar: Wenn wir wirklich etwas bewegen wollen, brauchen wir ein gemeinsames Ziel. Also haben wir darüber abgestimmt, was wir entwickeln könnten. Der Gewinner war eindeutig: ein digitaler Schulplaner, der die Buchversion ablösen soll.
In Kleingruppen wurden erste Ideen gesammelt, erste Skizzen gezeichnet, Features diskutiert. Alles gleichzeitig sehr groß und unfassbar unscharf. Danach stimmten wir ab und entschieden uns für eine klare Richtung. Der Informatiklehrer schaute ziemlich skeptisch, als wir den Plan verkündeten, nickte dann aber: „Okay, das ziehen wir durch.“

Das Fundament: Technik, Struktur und Vorbereitung

Echte Softwareentwicklung braucht mehr als nur gute Absichten. So haben wir vorab die Basics aufgesetzt:
  • Automatisierte Online-Entwicklungsumgebungen mit Coder: Individuelle Entwicklungsumgebungen überall und selbst mit dem iPad zu erreichen, keine verlorenen Stunden durch komplizierte Setups.
    Mit KI entwickelte Tutorials: Als Leitpfaden für den didaktischen Ansatz und damit jede:r individuell lernen kann, auch unabhängig vom AG-Termin. (Was ich immer noch hoffe :-D)
  • Ein stabiler Schulserver: Der Code muss irgendwo deployed werden und läuft bereits dort, da er auch das Tutorial bereit stellt.
  • Ein Schul-eigener Git Server: Der Code muss versioniert werden können.
  • Ein Miro Board: Zur Vorbereitung.

Die Tutorials


Ruby on Rails ist das technische Fundament unserer Arbeit – und das nicht ohne Grund. Natürlich haben wir uns überlegt, welche Programmiersprache am besten geeignet ist. Doch meine langjährige Erfahrung mit Ruby on Rails machte die Wahl einfach: Eine klare, zugängliche Syntax, ein bewährtes Ökosystem und durchdachte Grundprinzipien. Wer das beherrscht, hat auch mit Javascript Frameworks wie Next.js keine Berührungsängste.
In den ersten Wochen standen Grundlagen auf dem Plan: von Variablen und Schleifen bis hin zu HTML und der Logik hinter MVC.
So fing es an.
Erste dynamische Seiten stehen bereits. Es wird greifbar. 
Doch Technik ist nur ein Teil der Reise. Der andere Teil? Das Denken, Analysieren, Abwägen, Diskutieren.
Die EF Gruppe bekam letzten Dienstag eine Aufgabe: Die erste Analyse und Umsetzung einer möglichen Backendstruktur. Dabei lernen, wie Objekte miteinander assoziiert werden, was n:m Beziehungen sind, was es braucht, damit ein User einen Schulplaner zugeordnet bekommen kann. Und ja, ich habe den Perfektionismus eindeutig unterschätzt, es ist ein Monster entstanden. Sie hatten mega viel Spaß.

Aktueller Fokus: Lernen als Entdeckungsreise

Kürzlich habe ich die Stunde mit einer simplen Frage gestartet: Was ist Lernen? Es ging schnell um Imitation. Neues zu verstehen beginnt oft damit, etwas nachzumachen, zu experimentieren, Fehler zu machen und daraus zu lernen.
Dabei ist es manchmal wichtig, den Prozess zu verlangsamen: ein Problem auszusprechen, es wie beim „Rubberduck Debugging“ erst einmal einer imaginären Ente zu erklären. Die KI ist hier unser Sparringspartner. Sie zwingt uns, klar zu formulieren und den Problem wie auch Lösungsraum besprechbar zu machen, es in Worte zu fassen. Und einige von euch können bestimmt nachvollziehen, wie schwer das Finden adäquater Worte und Beschreibungen fällt, wenn wir es mit neuen Dingen zu tun haben, die wir durchdringen wollen.
Claude oder ChatGPT - als Erweiterungen der Entwicklungsumgebung - öffnen den Lösungsraum, geben Inspiration, laden ein zum Imitieren und Träumen. Und geben neue Impulse und Ideen, wie das Problem auch anders gelöst werden kann (und sollte).
Das größte Learning: Es ist oft effektiver, erst ein Bild zu malen – metaphorisch gesprochen. Statt direkt auf die perfekte Lösung zu springen, gehen wir Schritt für Schritt, erkennen dabei Herausforderungen und passen unsere Richtung an.
Lernen ist keine gerade Linie; es ist ein Tanz zwischen Problemen und Möglichkeiten.

Kontext, Kontext, Kontext

Das allergrößte Learning des Tages: Kontext, Kontext, Kontext. Mein Beispiel war: Ich stehe hier und quatsche euch zu. Würde ich das in der Kantine beim Mittag machen, wäre das ganz schön weird, oder? Genau, mein Verhalten passt zum Kontext. Und so ist es mit der KI auch, gebt Kontext, einen Rahmen, in dem das Missverständnis so klein wie möglich gehalten werden kann.
Hach, das gilt für jegliche Kommunikation; ist das nicht unglaublich, dass man dies in einer Sotware AG vermitteln kann?

Kleingruppen und das Gefühl, etwas zu bewegen

Wir haben früh gemerkt, dass jede:r ganz eigene Stärken hat. Einige lieben das Backend, andere tauchen in Designfragen ein, wieder andere blühen beim Frontend auf. Statt alles gemeinsam zu machen, arbeiten wir in Kleingruppen an Teilprojekten.
Die Ergebnisse fließen später zusammen. Das Spannende: Es geht nicht nur um den Code, sondern darum, die Erfahrung zu machen, dass man mit seinem Beitrag etwas bewirkt. Es ist Empowerment in seiner reinsten Form – und die Schüler:innen wachsen daran.

Ein Raum ohne Druck, aber voller Wachstum

Es gibt in der Schule immer einen Test, der wartet, eine Note, die bewertet. Nicht in der AG. Hier geht es nicht darum, zu beweisen, dass man gut genug ist. Es gibt keine rote Tinte, sondern klares, konstruktives Feedback.
Was zählt, ist, dass jede:r ernst genommen wird, Fehler als Teil des Lernens akzeptiert werden und positive Bestärkung motiviert. Der Moment, wenn ein:e Schüler:in stolz eine funktionierende Seite präsentiert? Der macht all den Aufwand wert.

Was ist eigentlich das Ziel?

Es geht nicht darum, dass alle Entwickler:innen werden. Es ist ja nicht einmal klar, ob es diesen Job in zehn Jahren noch so gibt – schließlich wirst du, liebe KI, die du hier an diesem Text mitgewirkt hast, noch erheblich besser werden.
Doch darum geht es nicht. Es geht um so viel mehr: um Kommunikation, ums Verstehen, um Selbstermächtigung. Darum, Ideen zum Leben zu erwecken, gemeinsam zu wachsen und zu erleben, dass die Welt formbar ist, wenn man den Mut hat, sie zu gestalten.

Es ist mehr als Code – es ist eine Reise

Ja, es ist viel Arbeit. Und nein, ich weiß nicht, wie weit wir mit dem Schulplaner kommen. Aber das ist okay. Der Weg ist das Ziel, und was ich in jeder Stunde sehe, gibt mir das gute Gefühl, dass wir etwas Wertvolles schaffen – nicht nur technisch, sondern auch menschlich.

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