Moderation als Schlüssel zu klaren Entscheidungen

Moderation als Schlüssel zu klaren Entscheidungen

Michael Schiller
12. November 2024 · 5 Minuten Lesezeit
Entscheiden Moderation

Ein Meeting, sich zu knechten

Manchmal sind es die unerwarteten Situationen, die am meisten beeinflussen. Eine solche Erfahrung hatte ich vor einiger Zeit, als ich als Agile Coach für einen Berliner Unternehmensbereich eines Bonner Konzerns tätig war. Es war eine Woche wie viele andere, bis ich plötzlich gebeten wurde, kurzfristig bei einem Meeting in Bonn die Moderation zu übernehmen – So fuhren wir nach Bonn, ohne große Vorbereitung.

Das Meeting begann, als eine Gruppe von Führungskräften aus unterschiedlichen Bereichen in den Raum kamen. Doch statt einem fokussierten Austausch war die Atmosphäre anfangs von leichter, vornehmlicher Unruhe und einem Hauch „Machtspielchen“ geprägt. Die Anwesenden wollten gehört werden, brachten Themen mit, die sie persönlich für entscheidend hielt – ob diese zum eigentlichen Ziel des Meetings beitrugen oder nicht. Die Themen begannen sich zu verzetteln, einzelne Personen versuchten, sich in den Vordergrund zu stellen, andere hielten sich zurück.

Die Ruhe bewahren – und den Fokus setzen

Anstatt sofort ins Gespräch einzugreifen oder zu versuchen, die Moderation zu übernehmen, nahm ich einen Schritt zurück. Ich beobachtete, wie sich die verschiedenen Personen und Themen verteilten, und begann, die Situation zu verstehen, ohne sofort darauf zu reagieren.
Schließlich, nach ein paar Minuten, nahm ich die Faden auf: Durch Struktur. Ich ließ der Diskussion bewusst Raum, aber ich führte sie – klar und freundlich – wieder auf einen zielführenden Weg. Ein erster Schritt war simpel, aber eine wirkungsvolle Intervention: Ich bat eine der Personen, ein Thema aufzuschreiben und klebte diesen dann auf ein Flipchart. Das war durchaus irritierend und ich spürte die Verunsicherung, da ich sie aus ihren gewohnten Mustern riss. So ging es weiter. Immer mehr Zettel wurden geschrieben. Irgendwann ermutigte ich, den Zettel selbst zu kleben.
Ich hatte die Gewissheit, dass diese einfache Handlung und konsequente Haltung – Themen sichtbar und priorisierbar zu machen – nicht nur die Person ernst nahm, sondern auch den anderen Teilnehmenden signalisierte, dass ihre Themen nicht unter den Tisch fallen würden. Gleichzeitig hatte ich den Raum für die Gruppe geschaffen, sich zu fokussieren, ohne dass jemand das Gefühl hatte, seine Perspektive oder Bedeutung zu verlieren.
Es war wichtig, die richtigen Momente zu finden, um die Richtung zu korrigieren. Ich schob die Diskussion nicht zu schnell in eine bestimmte Richtung, sondern gab den Teilnehmenden das Gefühl, dass ihre Beiträge willkommen waren – solange sie zum Gesamtziel des Meetings beitrugen.
Mit der Zeit begann sich die Atmosphäre zu verändern. Die Diskussion wurde fokussierter, die Themen klarer und die Gruppe arbeitete sich schrittweise durch die sich entwickelte Agenda. Ich moderierte, indem ich immer wieder den roten Faden aufgriff und die Diskussion zurück auf das eigentliche Ziel lenkte. Ich stellte sicher, dass jeder zu Wort kam, aber nicht in der Art, wie es sonst vielleicht passiert wäre, wenn jeder versucht hätte, sich in den Mittelpunkt zu stellen.
Am Ende des Meetings stand ein gemeinschaftlicher Erfolg: Alle Themen waren strukturiert und respektvoll besprochen, alle Entscheidungen getroffen. Niemand fühlte sich übergangen, aber auch niemand hatte das Gefühl, dass seine oder ihre Meinung nicht gehört wurde. Es gab kein Machtgerangel, und das Ergebnis war deutlich klarer und zielführender als zu Beginn. Die Teilnehmenden waren sich einige als sie sagten, dass sie es als eines der besten Meetings empfanden, an dem sie je teilgenommen hätten – und dass sie gerne in Zukunft genauso weiterarbeiten möchten.

Die Kunst der Moderation

Verhältnisse schaffen, die Klarheit fördern

Man kann niemandem zuhören, wenn man sich selbst ständig in den Mittelpunkt stellt.
Was ich aus dieser Erfahrung mitnahm, war eine starke Bestätigung dafür, wie Moderation das Verhalten und die Qualität eines Meetings beeinflussen kann. Es ging nicht darum, die inhaltliche Führung zu übernehmen, sondern um die Kunst, einen Raum zu schaffen, der es allen ermöglicht, ohne Konflikte und Machtkämpfe zusammenzuarbeiten. Moderation in diesem Sinne ist subtile Führung: Durch die richtigen Verhältnisse entsteht ein Raum, in dem klare Entscheidungen möglich sind und jede Stimme - adäquat - gehört wird.

Moderation als Führung

Gute Moderation ist möglichst unsichtbar. Sie lenkt, ohne zu zwingen, und schafft Klarheit, ohne sich aufzudrängen.
Das Beispiel zeigt, wie wertvoll und kraftvoll es sein kann, den Raum zu moderieren, ohne sich selbst zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Moderation ist Führung, aber nicht immer im klassischen Sinne, bei dem es um inhaltliche Expertise oder klare Anweisungen geht. Vielmehr geht es um die Fähigkeit, einen Rahmen zu schaffen, der es der Gruppe ermöglicht, in Ruhe zu arbeiten und zu entscheiden.
Es geht darum, den Raum so zu gestalten, dass alle Stimmen gehört werden können, dass Themen nicht in Nebensächlichkeiten ausarten und dass alle Beteiligten im richtigen Moment die Möglichkeit bekommen, ihren Beitrag zu leisten. Diese Art der Führung ist oft subtil, aber sie kann den Unterschied machen – nicht nur für die Struktur eines Meetings, sondern auch für die Qualität der Entscheidungen, die am Ende getroffen werden.

Moderation als kompetente Entscheidungshilfe

Man kann keine klugen Entscheidungen in einem Raum voller Unsicherheit treffen. Struktur ist der Weg zur Klarheit.
Am Ende des Tages zeigt sich die wahre Stärke von Moderierenden nicht nur in der Fähigkeit, Gespräche zu lenken, sondern in der Kunst, den Raum zu schaffen, in dem die richtigen Entscheidungen getroffen werden können. Wer den Raum richtig strukturiert, schafft die Bedingungen, dass Menschen gemeinsam Lösungen finden – ohne dass es zu Konflikten oder Rangstreitigkeiten kommt.
Die Erfahrung in Bonn war eine Erinnerung daran, wie wichtig es ist, nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell zu führen. Jeder Teilnehmende, jeder Mensch möchte in einem respektvollen und klaren Rahmen arbeiten – und Moderation hilft, genau diesen Raum zu gestalten. Wenn der Rahmen stimmt, entstehen nicht nur bessere Gespräche, sondern auch bessere Entscheidungen.

Wie gestaltet ihr den Rahmen für eure Meetings und Diskussionen? Welche Rolle spielt Moderation in eurem Arbeitsalltag?

Falls ihr an ähnlichen Erfahrungen in deiner Organisation oder Team interessiert seid, freuen wir uns über eine Nachricht.
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